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Garderobe mit neumodischen Lappen ausflickt, das kommt zu
Hauf, und ich rede mit einigen meiner Bekanntschaft, die alle
sehr lakonisch sind. Ich dachte und gab nur auf meine B..
acht. Ich merkte nicht, daß die Weiber am Ende des Saales sich
in die Ohren flüsterten, daß es auf die Männer zirkulierte, daß
Frau von S.. mit dem Grafen redete (das alles hat mir Fräulein
B.. nachher erzählt), bis endlich der Graf auf mich losging und
mich in ein Fenster nahm. »Sie wissen«, sagt' er, »unsere
wunderbaren Verhältnisse; die Gesellschaft ist unzufrieden,
merke ich, Sie hier zu sehn. Ich wollte nicht um alles« »Ihro
Exzellenz«, fiel ich ein, »ich bitte tausendmal um Verzeihung; ich
hätte eher dran denken sollen, und ich weiß, Sie vergeben mir
diese Inkonsequenz; ich wollte schon vorhin mich empfehlen.
Ein böser Genius hat mich zurückgehalten.« setzte ich lächelnd
hinzu, indem ich mich neigte. Der Graf drückte meine Hände
mit einer Empfindung, die alles sagte. Ich strich mich sacht aus
der vornehmen Gesellschaft, ging, setzte mich in ein Kabriolett
und fuhr nach M.., dort vom Hügel die Sonne untergehen zu
sehen und dabei in meinem Homer den herrlichen Gesang zu
lesen, wie Ulyß von dem trefflichen Schweinhirten bewirtet wird.
Das war alles gut.
Des Abends komm' ich zurück zu Tische, es waren noch
wenige in der Gaststube; die würfelten auf einer Ecke, hatten
das Tischtuch zurückgeschlagen. Da kommt der ehrliche Adelin
hinein, legt seinen Hut nieder, indem er mich ansieht, tritt zu mir
und sagt leise: »Du hast Verdruß gehabt?« »Ich?« sagt' ich.
»Der Graf hat dich aus der Gesellschaft gewiesen.« »Hol' sie
der Teufel!« sagt' ich, »mir war's lieb, daß ich in die freie Luft
kam.« »Gut,« sagt' er, »daß du's auf die leichte Achsel
nimmst. Nur verdrießt mich's, es ist schon überall herum.« Da
fing mich das Ding erst an zu wurmen. Alle, die zu Tisch kamen
und mich ansahen, dachte ich, die sehen dich darum an! Das
gab böses Blut.
Und da man nun heute gar, wo ich hintrete, mich bedauert,
da ich höre, daß meine Neider nun triumphieren und sagen: da
sähe man's, wo es mit den Übermütigen hinausginge, die sich
ihres bißchen Kopfs überhöben und glaubten, sich darum über
alle Verhältnisse hinaussetzen zu dürfen, und was des
Hundegeschwätzes mehr ist da möchte man sich ein Messer
ins Herz bohren; denn man rede von Selbständigkeit was man
will, den will ich sehen, der dulden kann, daß Schurken über ihn
reden, wenn sie einen Vorteil über ihn haben; wenn ihr
Geschwätze leer ist, ach da kann man sie leicht lassen.
Am 16. März.
Es hetzt mich alles. Heut' treff' ich die Fräulein B.. in der Allee,
ich konnte mich nicht enthalten, sie anzureden und ihr, sobald
wir etwas entfernt von der Gesellschaft waren, meine
Empfindlichkeit über ihr neuliches Betragen zu zeigen. »O
Werther«, sagte sie mit einem innigen Tone, »konnten Sie meine
Verwirrung so auslegen, da Sie mein Herz kennen? Was ich
gelitten habe um Ihrentwillen, von dem Augenblicke an, da ich
in den Saal trat! Ich sah alles voraus, hundertmal saß mir's auf
der Zunge, es Ihnen zu sagen. Ich wußte, daß die von S.. und
T.. mit ihren Männern eher aufbrechen würden, als in Ihrer
Gesellschaft zu bleiben; ich wußte, daß der Graf es mit ihnen
nicht verderben darf, und jetzt der Lärm!« »Wie, Fräulein?«
sagt' ich und verbarg meinen Schrecken; denn alles, was Adelin
mir ehegestern gesagt hatte, lief mir wie siedend Wasser durch
die Adern in diesem Augenblicke. »Was hat mich es schon
gekostet!« sagte das süße Geschöpf, indem ihr die Tränen in
den Augen standen. Ich war nicht Herr mehr von mir selbst,
war im Begriffe, mich ihr zu Füßen zu werfen. »Erklären Sie
sich!« rief ich. Die Tränen liefen ihr die Wangen herunter. Ich
war außer mir. Sie trocknete sie ab, ohne sie verbergen zu
wollen. »Meine Tante kennen Sie,« fing sie an, »sie war
gegenwärtig und hat o, mit was für Augen hat sie das
angesehen! Werther, ich habe gestern nacht ausgestanden und
heute früh eine Predigt über meinen Umgang mit Ihnen, und ich
habe müssen zuhören Sie herabsetzen, erniedrigen, und konnte
und durfte Sie nur halb verteidigen.«
Jedes Wort, das sie sprach, ging mir wie ein Schwert durchs
Herz. Sie fühlte nicht, welche Barmherzigkeit es gewesen wäre,
mir das alles zu verschweigen, und nun fügte sie noch hinzu,
was weiter würde geträtscht werden, was eine Art Menschen
darüber triumphieren würde. Wie man sich nunmehr über die
Strafe meines Übermuts und meiner Geringschätzung anderer,
die sie mir schon lange vorwerfen, kitzeln und freuen würde. Das
alles, Wilhelm, von ihr zu hören, mit der Stimme der wahrsten
Teilnehmung ich war zerstört und bin noch wütend in mir. Ich
wollte, daß sich einer unterstünde, mir's vorzuwerfen, daß ich
ihm den Degen durch den Leib stoßen könnte; wenn ich Blut
sähe, würde mir's besser werden. Ach, ich hab' hundertmal ein
Messer ergriffen, um diesem gedrängten Herzen Luft zu machen.
Man erzählt von einer edlen Art Pferde, die, wenn sie schrecklich
erhitzt und aufgejagt sind, sich selbst aus Instinkt eine Ader
aufbeißen, um sich zum Atem zu helfen. So ist mir's oft, ich
möchte mir eine Ader öffnen, die mir die ewige Freiheit schaffte.
Am 24. März.
Ich habe meine Entlassung vom Hofe verlangt und werde sie,
hoffe ich, erhalten, und ihr werdet mir verzeihen, daß ich nicht
erst Erlaubnis dazu bei euch geholt habe. Ich mußte nun einmal
fort, und was ihr zu sagen hattet, um mir das Bleiben
einzureden, weiß ich alles, und also Bringe das meiner Mutter
in einem Säftchen bei, ich kann mir selbst nicht helfen, und sie
mag sich gefallen lassen, wenn ich ihr auch nicht helfen kann.
Freilich muß es ihr wehe tun. Den schönen Lauf, den ihr Sohn
gerade zum Geheimenrat und Gesandten ansetzte, so auf einmal
Halte zu sehen, und rückwärts mit dem Tierchen in den Stall!
Macht nun daraus, was ihr wollt, und kombiniert die möglichen
Fälle, unter denen ich hätte bleiben können und sollen; genug,
ich gehe, und damit ihr wißt, wo ich hinkomme, so ist hier der
Fürst **, der vielen Geschmack an meiner Gesellschaft findet;
der hat mich gebeten, da er von meiner Absicht hörte, mit ihm
auf seine Güter zu gehen und den schönen Frühling da
zuzubringen. Ich soll ganz mir selbst gelassen sein, hat er mir
versprochen, und da wir uns zusammen bis auf einen gewissen
Punkt verstehn, so will ich es denn auf gut Glück wagen und mit
ihm gehen.
Zur Nachricht.
Am 19. April.
Danke für deine beiden Briefe. Ich antwortete nicht, weil ich
dieses Blatt liegen ließ, bis mein Abschied vom Hofe da wäre; ich
fürchtete, meine Mutter möchte sich an den Minister wenden
und mir mein Vorhaben erschweren. Nun aber ist es geschehen,
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